(übersetzt aus dem englischen Originalbeitrag von Tadamun)
Ich schwöre es dir. Vor Gott. Vor diesem elenden Jahrhundert. Vor dem letzten Funken Menschlichkeit, der vielleicht noch in dir übrig ist: Was wir heute gesehen haben, war kein Leben. Es war der Zusammenbruch von allem, was jemals als heilig galt. Früher waren die Freitage in Gaza heilig. Nicht wegen der Tradition, sondern weil sie zärtlich waren. Ein Vater kam mit Fisch nach Hause, oder vielleicht mit einem Stück Huhn, und eine Stunde lang aßen wir wie Menschen. Wir waren arm, aber nicht erniedrigt.
Wir lächelten uns über den Tisch hinweg an, dankten Gott für einen kleinen Teller Fleisch und fühlten uns lebendig. Wir fühlten uns des Atmens würdig. Selbst die Ärmsten unter uns kannten diese Würde. Sie sparten die ganze Woche lang. Sie ertrugen den Hunger nicht aus Gewohnheit, sondern aus Hoffnung. Für diesen einen Tag. Diese eine Mahlzeit. Diese Illusion eines normalen Lebens. Aber jetzt? Heute ist Freitag. Und wir gingen durch die Straßen von Gaza, nicht um zu feiern, nicht einmal um zu essen, sondern um Reis zu suchen. Verfaulten Reis. Graue Körner, die an den Fingern kleben und nach nichts schmecken.
„Irgendetwas. Irgendetwas, um den Magen zum Schweigen zu bringen. Mein Bruder suchte einen Markt ab. Ich suchte einen anderen ab. Wir kehrten mit Krümeln zurück. Wir bezahlten mit den letzten Münzen, die wir hatten. Sie verlangen Gold im Austausch für Asche. Und wir bezahlen es, weil die Kinder essen müssen und weil wir es nicht mehr wagen, zu sagen, was fair ist. Aber ich bin nicht gekommen, um über Reis zu sprechen. Ich bin gekommen, um zu bekennen, was ich gesehen habe.“.
„Ein Lastwagen fuhr vorbei. Er war leer. Sein Boden war mit einer dünnen Schicht Mehlstaub bedeckt. Nur Staub. Keine Säcke. Kein Brot. Nur die Spur von etwas, das einst ein Kind hätte retten können. Und dann sah ich sie. Keine Rebellen. Keine Kriminellen. Kinder. Sie rannten, rannten wie gejagte Tiere auf den Lastwagen zu. Sie kletterten mit Händen, die noch nie Spielzeug gehalten hatten, auf ihn. Sie fielen auf die Knie, als stünden sie vor einem Altar. Und sie begannen zu kratzen.“
„Einer hatte einen kaputten Deckel. Ein anderer ein Stück Pappe. Aber die anderen, die anderen benutzten ihre Hände. Ihre Zungen. Sie leckten daran. Hörst du mich? Sie leckten Mehlstaub von rostigem Stahl. Von Schmutz. Von der Ladefläche eines Lastwagens, der bereits weggefahren war. Ein Junge lachte. Nicht weil er glücklich war, sondern weil der Körper verrückt wird, wenn er hungert.“.
„Ein anderer weinte leise, wie jemand, der nicht mehr glaubt, dass ihm jemand zuhört. Und ich stand da. Mit all meiner Scham. Mit den Händen in den Taschen, wie ein Mann, der auf den Bus wartet. Als würde er nicht das Ende der Welt beobachten. Ich wollte schreien. Aber welcher Schrei kann den Himmel erreichen, wenn der Himmel selbst taub ist? Welche Worte können helfen? Welche Worte können das Geräusch erklären, wenn die Zunge eines Kindes gegen Rost kratzt, um einen Geschmack von Mehl zu bekommen?“
„Es gibt keine Metaphern mehr. Darin liegt keine Schönheit. Nur Sünde. Nur Verbrechen. Und wir sind alle schuldig. Du. Ich. Diejenigen, die den Lastwagen geschickt haben. Diejenigen, die die Flugzeuge geschickt haben. Und Gott? Wenn du zusiehst, dann weine mit uns. Und wenn du schweigst, dann sind wir allein in dieser Hölle.“
„Wir leben im 21. Jahrhundert. Aber die Geschichte ist nicht vorangekommen. Sie hat ihre eigenen Kinder verschlungen und es Fortschritt genannt. Ich will das nicht schreiben. Ich will es ungeschehen machen. Ich will den Jungen vergessen, der den Boden abgeleckt hat. Aber ich kann es nicht. Weil ich ihn gesehen habe. Weil er real ist. Weil er realer ist als alle Worte, die ich geschrieben habe. Und weil ich kein Mensch mehr bin, wenn ich ihn vergesse.“

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